Szenarioplanung im S&OP-Prozess
Juni 2019
Stärkere Fokussierung auf Kundenorientierung, globale Veränderungen bei Angebot und Nachfrage und eine höhere Volatilität bei Nachfragemustern - nur einige Trends, denen sich Organisationen heute annehmen müssen.
Da sich die Welt verändert und wir uns einem „neuen Normalzustand“ nähern, brauchen wir neue Perspektiven, die sich mit Planung, Lieferkettenmanagement und Risiken beschäftigen. In der folgenden Abbildung haben wir wichtige Trends zusammengefasst, die wir in den globalen Lieferketten sehen. Sales & Operations Planning (S&OP) sowie Supply Chain Risk Management (SCRM) werden dabei immer wichtiger, wenn eine gemeinsame Sicht auf die Führung eines Unternehmens entwickelt werden soll. S&OP-Prozesse und SCRM bieten Unternehmen dann die Möglichkeit, proaktiv zu handeln, um die Zukunft besser steuern zu können.
Als Folge dieser „neuen“ Welt erleben wir, dass Prognosen und Planungen immer schwieriger werden. Dies erfordert neue Wege, um:
In unsicheren Geschäftsumgebungen, in denen die Planung nicht in einem stabilen Zustand durchgeführt werden kann, hilft die Arbeit mit Szenarien dabei, den Dialog- und Entscheidungsprozess zu verbessern. Sie dient dabei im Idealfall als Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen. Unterschiedliche Unternehmensziele, höhere Effizienz und niedrigere Kosten (im Vergleich zu einer herkömmlichen Lieferkette) können durch einen gut implementierten und globalen S&OP-Prozess mit Szenarioplanung unterstützt werden.
Die zunehmende Unsicherheit und Volatilität von Angebot und Nachfrage machen Prognosen oft schwierig. Auch die Entscheidungsfindung wird komplizierter, wenn die Planung instabil ist. Ein hohes Maß an Unsicherheit wird durch neue Produkte, Ausschreibungen und hohe Wachstumsraten in Verbindung mit der traditionell langfristigen Planung geschaffen, die den Prognoseprozess weiter erschwert. All dies erfordert einen neuen Ansatz, der auf qualifizierten Annahmen basiert - und nicht auf historischen Daten. Ein strukturierter Prozess für die Szenarioplanung wird dadurch erforderlich.
Dafür muss verstanden werden, was Unsicherheiten und Risiken überhaupt erst hervorruft. Dadurch können relevante Szenarien und Möglichkeiten definiert werden, um die Probleme in eben diesen Szenarien zu lösen. Das übergeordnete Ziel besteht dann darin, den bestmöglichen Entscheidungsvorschlag zur Unterstützung des S&OP-Prozesses und vor allem der Geschäftsstrategie zu erstellen. Ein S&OP-Prozess mit Szenarioplanung kann damit zu Entscheidungen über neue Möglichkeiten, Wachstum oder der Schließung von Lücken beitragen. Der Prozess kann zudem verlässliche und qualitativ hochwertige Entscheidungsvorschläge liefern und zur Fokussierung des Managements auf die strategischen Ziele beitragen.
Mit Szenarioplanung ist man bevorstehenden Ereignissen, Risiken und Chancen stets einen Schritt voraus. Darüber hinaus hilft die Szenarioplanung dabei, überzeugende und zuverlässige Entscheidungsvorschläge zu erstellen, um bevorstehenden Ereignissen entgegenzuwirken und / oder sie dafür zu nutzen, um die Gesamtstrategie des Unternehmens zu stützen. Sie kann dabei auch besonders dafür verwendet werden, künftige Möglichkeiten zur Sicherung einer erfolgreichen Auslastung zu evaluieren. Die Szenarioplanung eignet sich dabei hervorragend zur Unterstützung des Dialogs und der Entscheidungsfindung bei S&OP-Meetings in einem komplexen und volatilen Umfeld, in dem Schwellenländer und lange Lieferzeiten einen immer wichtigeren Faktor darstellen. Sie bietet dabei einen strukturierten Ansatz zur Identifizierung von Treibern, Szenarien und möglichen Ergebnissen.
Bei der Szenarioplanung liegt der Fokus auf folgenschweren Risiken, da Risiken mit geringen Konsequenzen aus planerischer Sicht Teil der natürlichen Unsicherheit und Flexibilität im Basisplan sein sollten. Dadurch sind sie hier nicht wichtig. Risikoereignisse hingegen werden durch ihre strukturelle Anfälligkeit in der Lieferkette und ihre Auswirkungen unterschieden.
Um die Szenarioplanung strukturiert durchführen zu können, haben wir die in der folgenden Abbildung dargestellten fünf Schritte definiert:
Die Szenarioplanung bringt verschiedene Vorteile mit sich: So setzt sie das Risikomanagement als Schwerpunkt im Entscheidungsprozess und verbessert die Vorhersagequalität in volatilen Umgebungen. Darüber hinaus wird der Fokus auf die Folgen für das Unternehmen (Kosten, Auslastung, Servicelevel, Vorlaufzeit) gelegt. Szenarioplanung ermöglicht es auch, Chancen anzusprechen anstatt Unklarheiten zu diskutieren.
Zuerst muss verstanden werden, welche Faktoren ein neues Szenario auslösen können. Wir arbeiten dabei normalerweise mit vier Arten an Triggern für Szenarien, die in der Grafik anbei dargestellt sind.
Wenn die Treiber bewertet wurden, können sie zu einem aussagekräftigen Rahmen zusammengefügt werden, bei dem in der Regel fünf bis zehn logische Gruppierungen erfolgen.
Nachdem die Szenariotreiber identifiziert und verstanden wurden, besteht der nächste Schritt darin, die jeweiligen Szenarien zu beschreiben. Das Wichtigste ist hierbei, sicherzustellen, dass jedes vernünftigerweise vorhersehbare Szenario identifiziert und berücksichtigt wird. Besonders Augenmerk sollte hier darauf liegen, ob die verschiedenen Szenarien miteinander verknüpft sind. Das Ziel soll schließlich sein, zwei bis drei realistische Kernszenarien mit einer klaren Wahrscheinlichkeits- und Folgenabschätzung zu erhalten, bei denen sowohl die Geschwindigkeit des Wandels als auch die Entscheidungsgeschwindigkeit berücksichtigt werden.
Bei der Suche nach möglichen Optionen für riskante Szenarien ist Brainstorming oft die beste Idee. Jede Brainstorming-Sitzung profitiert dabei von einer Reihe an Leitoptionen, die nach der ersten Ideensammlung eingebracht werden können.
Der nächste Schritt ist das Entwerfen und Beschreiben der verschiedenen Optionsbereiche der Kernszenarien. Erst, wenn die Optionen beschrieben worden sind, kann das „Spielbrett“ entworfen werden. Das Spielbrett ist dabei eine Kombination aus Szenarien und Optionen mit einer klaren Verknüpfung zwischen den verschiedenen Szenarien. Sollten die Szenarien nicht miteinander verknüpft sein, kann für jede Gruppe an Szenarien ein eigenes Spielbrett entworfen werden.
Anbei ein Beispiel für Optionen, die nach dieser Methode identifiziert werden konnten:
Wenn eine Liste an Optionen gefunden wurde, besteht der nächste Schritt darin, die Vor- und Nachteile jeder vorgeschlagenen Option zu identifizieren. Für dieser Bewertung wird eine Matrix erstellt, welche die drei kritischsten Szenarien in der oberen Zeile und die drei besten Optionen in der ersten Spalte zeigt.
Eine Gruppendiskussion, welche die Vor- und Nachteile einer Option für jedes Szenario verdeutlicht, hilft hierbei, die möglichen Risiken und Gewinne zu erkennen, indem eine bestimmte Variante ausgewählt oder ausgeschlossen wird. Um die finanziellen Auswirkungen abzuschätzen, sollte die entsprechende Abteilung einbezogen werden.
Anbei ein Beispiel für eine Risiko- und Auswirkungsmatrix.
Der letzte Schritt besteht darin, den Entscheidungshorizont sowie das Timing der verschiedenen Optionen zu bewerten. Wird eine Entscheidung zeitnah benötigt oder kann die Szenarioanalyse lediglich als Frühwarnung verstanden werden? Wenn auf ein Risiko direkt reagiert werden muss, sollte pro Szenario ein einseitiger Entscheidungsvorschlag erstellt werden, der den Dialog und die Entscheidungsfindung beim S&OP-Treffen unterstützt.
Dieser One-Pager sollte folgende Informationen beinhalten:
Die Szenarioplanung ermöglicht es dem Unternehmen damit, Frühwarnungen bei einer Vielzahl von Risikoereignissen zu diskutieren und zu bewerten.
Die so festgelegten Frühwarnszenarien müssen schließlich überwacht werden, um zu sehen, wie sie sich entwickelt haben und weiter verändern werden.
Black-Swan-Ereignisse nach Taleb zeichnen sich folgendermaßen aus:
In vielen globalen Organisationen ist es eine große Herausforderung, einen strukturierten S&OP-Prozess einschließlich der Szenarioplanung durchzuführen und die daraus resultierenden Entscheidungen auch umzusetzen. Viele Abteilungen, die jeweils ihre eigenen Daten und Berechnungen liefern, sind involviert. Zudem ist die Umsetzung der erzielten Schlussfolgerungen oft ein kompliziertes Bündel miteinander verbundener Maßnahmen, die über verschiedene Geschäftseinheiten hinweg gehen. Um dieser Herausforderung zu begegnen, bietet SAP über Integrated Business Planning auf Basis der S / 4HANA-Datenbanktechnologie ein starkes S&OP-Tool, das folgende Vorteile in sich vereint:
Herkömmliche Prognosetechniken können signifikante Änderungen des Umfelds, in dem Unternehmen tätig sind, häufig nicht vorhersagen - insbesondere bei schnellen Änderungen oder dann, wenn nur begrenzte Informationen vorliegen. Infolgedessen können schwerwiegende Herausforderungen oder großartige Chancen übersehen werden. Darunter kann die Gesamtleistung und -strategie des Unternehmens leiden.
Die Szenarioplanung kann dabei für verschiedene Strategien eingesetzt werden, z.B. Wachstum oder verbesserte Rentabilität. Weitere Vorteile lauten wie folgt:
Wir brauchen ehrliche Dialoge, die Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren ansprechen
Förderung strategischer Gespräche zwischen den zentralen Stakeholdern
Der Schlüsselfaktor für die Umsetzung einer erfolgreichen Szenarioplanung ist die umfassende und sinnvolle Einbeziehung der wichtigsten Stakeholder, die Aufnahme eines ehrlichen Dialogs über Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen für das Unternehmen sowie die Balance zwischen Plausibilität und der Verbreitung dieses Mindsets im gesamten Unternehmen.
Fallbeispiel
Der monatliche Planungsprozess für Sales & Operations ergab für eine der Produktionslinien eine erhebliche Unterauslastung für die kommenden 12 Monate. Für die Produktion wäre es in diesem Fall sehr schwierig, auf unerwartete Probleme oder Marktchancen zu reagieren. Als Ziel wurde ein Kapazitätsüberschuss von 10% festgelegt, um auf monatliche Schwankungen, Produktmixänderungen und Unsicherheiten der Nachfrage reagieren zu können. Der Basisplan wies jedoch nur einen Kapazitätsüberschuss von 5% aus. Daher waren Aktivitäten zur Kapazitätssteigerung erforderlich.
Parallel dazu wurde die Prognose im Vergleich zu den strategischen Zielen als zu niedrig und die Auslastungsannahmen hinter dem Kapazitätsplan als zu optimistisch bewertet. Beide Faktoren wirkten sich im Vergleich zum Basisplan negativ auf die Unterauslastung aus. Um den Schweregrad und das zusätzliche Risiko dieser Situation besser verstehen zu können, wurde die Szenarioplanung angewandt.
Schritt 1 – Treiber: Die wesentlichen Unsicherheitsfaktoren wurden bereits als Verzerrungen in Nachfrageprognose und Auslastungsgrad identifiziert.
Schritt 2 – Szenarien: Die Nachfrageszenarien umfassten ein Best-Case- sowie ein Worst-Case-Szenario. Das Best-Case-Szenario basierte auf dem strategischen Wachstumsziel des Unternehmens, das sich in Zielvolumensteigerungen (+ y% gegenüber dem Vorjahr) niederschlug. Das Worst-Case-Szenario basierte auf den aktuellen Prognosen in SAP (+ x% gegenüber dem Vorjahr).
Auch für die Versorgungsszenarien wurde ein Best-Case- und ein Worst-Case-Szenario erstellt. Das Best-Case-Szenario basierte auf der optimistischen Nutzungsannahme, die im Basisplan enthalten war (Index 100%). Das Worst-Case-Szenario basierte auf dem Durchschnitt der historischen Auslastung in den letzten 12 Monaten (Index 94%). Diese Kombinationen und ihre Auswirkung auf den Kapazitätsüberschuss wurden durch ein 2 x 2-Diagramm veranschaulicht.
Szenarioplanung hat uns dabei geholfen, Risiken proaktiver zu verstehen und Entscheidungen rechtzeitig zu treffen.
Frede Lei, Head of Global Planning, Novozymes
Schritt 3 - Optionsszenarien: Kurzfristige Kapazitätserweiterung zur Erzeugung eines Überschusses. Dies geht nicht in die Risikobewertung ein, sondern ist Teil der endgültigen Empfehlung.
Schritt 4 – Risiko und Wirkung: Die Wahrscheinlichkeit wurde für jeden der vier Quadranten im 2x2-Diagramm geschätzt. Das wahrscheinlichste Ergebnis wurde als „hohe Nachfrage und niedrige Auslastung“ bewertet, was den größtmöglichen Einfluss auf den Kapazitätsüberschuss hat und betont, dass die Kapazität um ca. 10% erweitert werden muss.
Schritt 5 – Empfehlung: Es wurde ein Entscheidungsvorschlag erstellt, der folgende Kernbotschaften enthielt:
Eine schnelle Entscheidungssituation, die zu einer signifikanten Erhöhung der kurzfristigen Kapazität im Werk führt, wodurch potenzielle Lieferprobleme und Umsatzverluste vermieden werden. Alle funktionsübergreifenden Abteilungen haben die Situation verstanden, waren proaktiv in Bezug auf Risiken (und Chancen) und arbeiteten gemeinsam an der Umsetzung der Erweiterung.
Dieser Artikel wurde von Maja Sandberg Biltoft mitverfasst.