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Fallstudie St. Anna

Produktivitätssteigerung von CHF 1.9 Mio. pro Jahr bei 40 Minuten mehr Zeit pro Patient und Tag

In der vorliegenden Fallstudie wird das Projekt ‘Fokus Patient’ der Hirslanden Klinik St. Anna diskutiert. Der Fokus richtet sich auf Effizienz- und Produktivitätssteigerungen durch Mitarbeitende mit Hilfe der Lean Hospital Methodik.

Erschienen

Oktober 2017

Author

Markus Fraefel

Von Markus Fraefel, Erika Rohrer und Michael Stahl

Im ersten Kapitel der Fallstudie wird ein kurzer Überblick über die Gesundheitsbranche und ihre gegenwärtigen Herausforderungen gegeben. Das zweite Kapitel gibt einen Überblick über die Methodik und Prinzipien von Lean Management. Im dritten Kapitel werden Hintergrundinformationen zur Hirslanden Klinik St. Anna erläutert und in Kapitel vier wird auf das Projekt ‘Fokus Patient’ eingegangen. Sowohl die Ausgangslage, wie auch das Vorgehen und die Ergebnisse des erfolgreichen Projekts werden darin beschrieben. Im fünften und letzten Kapitel werden die auf kontinuierliche Verbesserung fokussierten Fragestellungen der Fallstudie aufgeführt.

1. Gesundheitsbranche

1.1. Übersicht

Das Schweizer Gesundheitssystem gehört einerseits zu den besten, jedoch auch zu den teuersten der Welt (Sax, 2008). Diese Kostenentwicklung beschäftigt alle politischen Ebenen der Schweiz, da das gesamte System föderalistisch aufgebaut ist. Die zwei Komponenten Gesundheitspolitik und Gesundheitsleistungen lassen sich somit auf den Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden wiederfinden.

Dabei kommt es immer wieder zu Diskussionen, welche Kompetenzen welchen Ebenen zuzuordnen sind. Mit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes [KVG] in den 1990er Jahren wurde zumindest eine Vereinheitlichung auf Bundesebene erreicht. Das KVG soll u.a. allen in der Schweiz lebenden Personen einen Zugang zu qualitativ hochwertigen medizinischen Angeboten gewähren. (BAG, 2005). Weiter steht im Art. 3 Abs. 1 KVG geschrieben: „Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz muss sich innert drei Monaten nach der Wohnsitznahme oder der Geburt in der Schweiz für Krankenpflege versichern oder von ihrem gesetzlichen Vertreter beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertreterin versichern lassen.“ Dieser Gesetzesartikel hat die obligatorische Versicherungspflicht zum Inhalt. In diesem Zusammenhang müssen auch die Krankenkassen jeder Person Zutritt zu ihrer obligatorischen Grundversicherung gewähren. Dabei wird der Inhalt der obligatorischen Grundversicherung durch einen staatlichen Leistungskatalog definiert (Sax, 2008).

Ein hochwertiges Gesundheitssystem lässt sich nur mit den entsprechenden finanziellen Mitteln gewährleisten. Das zeigt auch Abb. 1 (vgl. Anhang), in welcher die Schweiz, hinter den Vereinigten Staaten, den zweiten Platz bei den Ausgaben in Franken pro Person im Jahr 2010 belegt.

Abbildung 1: Gesundheitsausgaben in ausgewählten Ländern (BAG, 2012). 1) Kaufkraftbereinigt gemäss den OECD-Kaufkraftparitäten für das Bruttoinlandprodukt

Die Ansprüche der unterschiedlichen Interessensgruppen betreffend Gesundheitssystem gestalten sich äusserst heterogen. Es können dabei folgende Hauptgruppen unterschieden werden (Sax, 2008):

  • Patientinnen und Patienten
  • Krankenversicherer
  • Pharmaindustrie
  • Kantone
  • Leistungserbringer (Heime und Spitäler, Spitex, Therapie etc.)
  • Berufsgruppen (Pflegende, Ärztinnen und Ärzte, Physio-, Ergo- und weitere Therapeutinnen und Therapeuten)
  • Beraterinnen und Berater, Gesundheitsökonominnen und -ökonomen etc.

Je heterogener die Interessen, desto mehr Diskussionspotential kann entstehen. Beispielsweise ergibt sich ein Zielkonflikt zwischen der Pharmaindustrie und den Krankenversicherern betreffend Preisgestaltung der Medikamente. Allgemein ist der Kostenfaktor eine wichtige Komponente, weshalb diese im nachfolgenden Kapitel angesprochen wird.

1.2. Aktuelle Herausforderungen

Die Gesundheitsbranche wird sich in Zukunft verschiedenen Herausforderungen stellen müssen. Der Hauptschwerpunkt liegt dabei im Bereich der steigenden Kosten, welche in den letzten Jahren stetig zugenommen haben und auch weiterhin steigen werden.

Wie aus Abb. 3 (vgl. Anhang) ersichtlich, machen die stationären und ambulanten Behandlungen im Spital fast 40% der Kosten der Krankenversicherungen aus. Damit entsteht auch von dieser Seite ein zunehmender Kostendruck auf die Spitäler.

Abbildung 2: Entwicklung der Kosten und des Anteils am BIP (BAG, 2013)

Der steigende Kostendruck ist jedoch nicht die einzige Problematik, welche in den nächsten Jahren angegangen werden muss. Das Bundesamt für Gesundheit (2013) hat einen Bericht ‘Gesundheit 2020’ erstellt, welcher vom Bundesrat am 23. Januar 2013 verabschiedet wurde. Dabei werden folgende aktuellen Schwächen des heutigen Gesundheitssystems hervorgehoben (BAG, 2013):

  • Beschränkte Transparenz
  • Fehlende gezielte Steuerung
  • Lückenhafte statistische und analytische Grundlagen
  • Ineffizienzen und unnötige Kosten durch Fehlanreize
  • Mangelnde Investition in Vorbeugemassnahmen
  • Früherkennung von Krankheiten
  • Fehlende Identifikation ungenügender Qualität

Weiter wird noch mit zusätzlichen Herausforderungen gerechnet. Es zeichnet sich zum Beispiel ab, dass die Anzahl an Patientinnen und Patienten mit chronischen, übertragbaren und nichtübertragbaren Krankheiten zunehmen wird. Dies hat zur Folge, dass das Gesundheitssystem stärker beansprucht wird. Die Patientinnen und Patienten sollen zudem vermehrt im Fokus stehenund müssen differenziert behandelt werden (BAG, 2013).

Um diesen Entwicklungen, welche auch zu steigenden Kosten führen, entgegenzuwirken, muss die Koordination von verschiedenen Leistungserbringern verbessert werden. Dabei sollen auch moderne Informationstechniken, Stichwort ‘eHealth’, vermehrt eingesetzt werden. Es wird dabei mit einer Effizienzausschöpfung von ca. 20 % gerechnet (BAG, 2013).

2. Lean Management

Lean Management hat im Kern den Anspruch ‘Wert ohne Verschwendung zu schaffen’. Alle Aktivitäten, die für eine Wertschöpfung notwendig sind, sollen somit optimal aufeinander abgestimmt sein und keine aus Kundensicht überflüssigen Verschwendungen beinhalten. Für den Kunden wertschaffende Tätigkeiten werden ausgebaut und nicht wertschaffende Tätigkeiten eliminiert, was effiziente Prozesse mit einer hohen Kundenorientierung zur Folge hat.

2.1. Entstehung

Den Ursprung des Lean Managements findet man in Japan nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Zu dieser Zeit war Japan knapp an Rohstoffen und grosse Teile der Industrie wurden im Krieg zerstört oder demontiert. Deshalb mussten die benötigten Rohstoffe teuer aus dem Ausland bezogen werden. Unter dieses ungünstigen Voraussetzungen waren die Unternehmen gezwungen, eigene Wege zu finden, um erfolgreich zu sein (Dahm und Haindl, 2009: 49).

Toyota, damals unter der Führung von Taiichi Ohno, spielte mit seinem Lean Production System die Vorreiterrolle im Lean Management. Die konsequente Umsetzung von Lean Management führte Toyota zur Weltspitze in der Automobilindustrie und zum Sinnbild für Qualität, Sicherheit und Erfolg. Bereits in den 80er Jahren wurde Lean zum Weltstandard in der Produktion (The Machine that Changed the World).

Lean Management hat die Automobilindustrie revolutioniert und steigert heute in allen Einsatzgebieten Produktivität, Qualität und Servicefähigkeit. Heute wird Lean Managementunabhängig der Branchen in einem Grossteil der Unternehmen eingesetzt. Erfolgsgeschichten stammen aus der Logistik, dem Dienstleistungsbereich, der Verwaltung oder dem Gesundheitswesen.

2.2. Die 5 Lean Prinzipien

Nachfolgend werden die fünf Lean Prinzipien, welche die Basis aller Lean Aktivitäten darstellen, kurz erläutert: Kundenorientierung, Wertstromverständnis, verschwendungsfreie Prozesse (Takt- und Fluss-Prinzip), bedarfsgesteuerte Leistungserbringung (Pull-Prinzip) und kontinuierliche Verbesserung (Kaizen). Die Lean Prinzipien gelten branchenübergreifend. Beispielsweise ist Kundenorientierung ist in einem Produktionsunternehmen genauso wichtig wie die Patientenorientierung in einem Spital.

a) Kundenorientierung

Im Mittelpunkt jeder Tätigkeit eines Unternehmens sollen wertschaffende Leistungen aus Sicht des Kunden stehen. Unternehmen müssen jederzeit wissen, wer ihr Kunde ist und was er für das Produkt oder die Dienstleistung bereit ist zu bezahlen. Daraus entsteht eine Fokussierung auf die Eliminierung nicht wertschaffender Tätigkeiten, denn kein Kunde ist bereit für Verschwendungen wie zum Beispiel Wartezeiten, unnötige Lagerproduktion, Fehler oder überflüssige Transporte zu bezahlen.

b) Wertstromverständnis

Um nicht wertschaffende Tätigkeiten respektive Verschwendungen (Bewegungen, Wartezeiten, Überproduktion, etc.) zu erkennen, wird ein Wertstromverständnis benötigt. So können Wertströme identifiziert, visualisiert und analysiert werden. Zentral ist dabei, diejenigen Wertströme zu identifizieren, in welchen für den Kunden Wert geschaffen wird. Die Unterteilung in einzelne Prozessschritte (analog ihrer Abfolge) bringen noch konkreter Problem- und Handlungsfelder mit Verschwendungen zu Tage.

c) Verschwendungsfreie

Prozesse (Takt- und Fluss-Prinzip) Verschwendungsfreie Prozesse werden einerseits durch eine Minimierung der Verschwendung, andererseits durch die Implementierung eines Flusses/Taktes erzeugt. Beim Fluss-Prinzip geht es darum, möglichst einen kontinuierlichen, gleichmässigen (Takt) und reibungslosen Prozessablauf zu gestalten. Engpässe sollen identifiziert und mit geeigneten Massnahmen reduziert werden. Das Flussprinzip verringert somit die Durchlaufzeit.

d) Bedarfsgerechte Leistungserbringung (Pull-Prinzip)

Das vierte Lean Prinzip fokussiert sich auf die Erbringung von bedarfsgesteuerter Leistungen zur richtigen Zeit in der richtigen Menge und Qualität. Fokussiert wird auf die Leistung, welche der Kunde effektiv nachfragt. Werden Produkte oder Dienstleistungen ‘auf Vorrat’ erstellt, entspricht dies somit nicht dem Pull-Prinzip. Leistungen sollten erst nach der Kundennachfrage bereitgestellt werden. Damit reduziert das Pull-System Überproduktion bzw. Überlastung von Mitarbeitenden und Organisationseinheiten.

e) KontinuierlicheVerbesserung (Kaizen)

Das letzte Lean Prinzip soll langfristige und nachhaltige Verbesserungen durch einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess sicherstellen. Das japanische Wort ‘Kaizen’ (‘Veränderung zum Besseren’) steht hier im Zentrum. Dies bedeutet, dass jeder einzelne Mitarbeiter ständig einen Beitrag zur Verbesserung der Geschäftsabläufe leisten und Vorschläge einbringen soll. Kaizen ist somit eine permanente Reise im PDCAZyklus, welcher sich in die Phasen Plan, Do, Check und Act unterteilt (Brunner, 2008: 11). Bei Kaizen wird versucht, die hohe Qualität und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu erhöhen, indem die häufigsten Arten von Fehlern, Verschwendung und schlechte Res-sourcennutzung fortlaufend erkannt und eliminiert werden (Brunner, 2008: 37). Durch Schulungen und Begleitungen werden die Mitarbeiter befähigt kontinuierliche Verbesserungen in ihren Alltag zu integrieren und zu leben.

2.3. Lean Management im Gesundheitswesen

Seit einigen Jahren wird Lean Management auch im Spitalbereich erfolgreich implementiert. Insbesondere die USA spielt hier eine Vorreiterrolle, welche etliche Best Practice Beispiele aufweisen kann. Beispielsweise wird am Virginia Mason Hospital in Seattle seit Jahren erfolgreich das Virginia Mason Production System umgesetzt, welches auf dem Toyota Production System basiert und das Spital kurz vor dem Bankrott aus der Krise half und auf den Erfolgspfad zurück brachte (Kenney, 2011). Die Lean Management Methodik kann auch an die spezifischen Bedürfnisse der Gesundheitsbranche adaptiert werden. Natürlich müssen die branchenspezifischen Gegebenheiten in geeignetem Masse berücksichtigt werden. In der Industrie und im Gesundheitswesen bestehen jedoch ähnliche Erfolgsfaktoren, wie zum Beispiel eine durchgängige Kundenbzw. Patientenorientierung, hohe Qualitätsorientierung oder hohe Sicherheitsstandards.

3. Hirslanden Klinik St. Anna

3.1.Facts & Figures

Die Privatklinikgruppe Hirslanden entstand im Jahre 1990 durch den Zusammenschluss von fünf Klinken. 17 Jahre später kam es zur Übernahme durch den südafrikanischen Spitalkonzern Mediclinic International. Mittlerweile umfasst die Privatklinikgruppe Hirslanden in der Schweiz 14 Kliniken in 10 Kantonen mit insgesamt über 100 integrierten Kompetenzzentren und mehr als 50 spezialisierten Instituten und positioniert sich damit als grösster Systemanbieter in der Spitallandschaft Schweiz. Als Systemanbieter gewährleistet Hirslanden, dass alle integralen medizinischen Leistungen für Patienten stets verfügbar sind. Damit finden die interdisziplinär arbeitenden fachärztlichen Kompetenzzentren ideale Bedingungen für die Behandlung hochkomplexer Fälle vor. 7’200 Mitarbeitende, davon 1’600 Ärzte, arbeiten in der Hirslandengruppe und behandeln jährlich mehr als 82’000 stationäre Patienten. Durchschnittlich hält sich ein Patient rund 4.8 Tage in einer Hirslanden Klinik auf (Hirslanden 2013a).

Die Klinik St. Anna wurde 2005 Teil der Privatklinikgruppe Hirslanden. Sie verfügt über rund 184 Betten, 187 Belegärzte und angestellte Ärzte und 731 Vollstellen. Pro Jahr werden im Durchschnitt 9‘900 stationäre und 69‘000 ambulante Patienten behandelt. Die Klinik verfügt über ein breites Angebot von medizinischen Dienstleistungen (Notfall, Gastroenterologie, Herzzentrum etc.). Besonders hervorzuheben ist dabei, dass ca. 75% der behandelten Patientinnen und Patienten über eine Zusatzversicherung verfügen und somit auch hohe Qualitätsansprüche gegenüber den Dienstleistungen erwarten (Hirslanden 2013b).

3.2. Herausforderungen

Die Hirslanden Klinik St. Anna gehört im schweizerischen Vergleich zu den Kliniken mit den höchsten Qualitätswerten. Um dem zunehmenden Kostendruck im Gesundheitswesen proaktiv zu begegnen und die Professionalisierung der Leistungserbringung weiter zu stärken wurde im Jahr 2008 das Projekt ‘Fokus Patient’ lanciert. Die Erarbeitung der Lösungsansätze wurde durch die Abegglen Management Consultants AG unterstützt und in enger Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der Hirslanden Klinik St. Anna vorangetrieben. Dabei standen die Methodik und die Zielsetzungen des Lean Managements im Zentrum.

4. Projekt ‘Fokus Patient’

4.1. Ausgangslage

Erste Analysen förderten insbesondere in drei Bereichen Optimierungspotenziale zu Tage. Diese werden nachfolgend kurz erläutert

a) Pflegeleistung/Klinikprozess

Die Zusammenarbeit der Pflege mit Notfall, Ärzten, Therapiebereichen etc. wiesen markante Potenziale für eine Prozessoptimierung auf (u.a. Schnittstellenproblematiken). Ein Silodenken ist noch weit verbreitet und die funktionale Arbeitsteilung im Kontext von Pflege, Hotelservice und Hauswirtschaft ist suboptimal und resultiert in einer verbesserungswürdigen Servicequalität.

b) Patientenzufriedenheit

Es war eine leichte, aber kontinuierliche Verschlechterung der vergleichsweise sehr hohen Patientenzufriedenheit hinsichtlich der stationären Pflege zu beobachten.

c) Mitarbeiterzufriedenheit

Die zunehmende Diskrepanz zwischen akademisierter Ausbildung und effektiver Pflegepraxis mit negativer Wirkung auf die Mitarbeiterzufriedenheit und damit erhöhtem Führungsaufwand war zu beobachten. Eine personalintensive Pflegearbeit erfordert generell eine besondere Berücksichtigung der Mitarbeiterzufriedenheit.

4.2. Zielsetzungen

Aufgrund der Ergebnisse der ersten Analysen standen im Projekt ‘Fokus Patient’ konkrete Verbesserungen in den drei Bereichen a) Produktivität, b) Patientenzufriedenheit und c) Mitarbeiterzufriedenheit im Fokus. Nachfolgend werden diese kurz erläutert.

a) Steigerung der Produktivität

Ziel war, die Produktivität in gemischten Pflege-Abteilungen Chirurgie/Medizin bei gleichzeitiger Erhöhung des Anteils von aus Patientensicht wertschaffenden Tätigkeiten zu verbessern und den C-Wert (Leistungen der Pflege, die nicht direkt an Patienten erbracht werden) deutlich zu Gunsten von Leistungen direkt am Patienten zu reduzieren.

b) Steigerung der Patientenzufriedenheit

Ziel war, eine Trendumkehr in der Abwärtsentwicklung der extern erhobenen Patientenzufriedenheit zu erreichen und alle kritischen Beurteilungsaspekte sowie der ‘Weiterempfehlungsrate der Klinik’ als zentrale Kennzahl der Patientenzufriedenheit zu verbessern.

c) Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit

Ziel war, die internen Umfragewerte in den kritischen Dimensionen wie Überstundenlast, Einhaltung der Arbeitszeit etc. zu verbessern und die Gesamtzufriedenheit auch während der Umsetzung des Projekts ‘Fokus Patient’ zu stabilisieren.

4.3. Vorgehen

Im Projekt ‘Fokus Patient’ standen die Methodik und die Zielsetzungen des Lean Managements im Zentrum. Dabei wurden primär folgende drei Analysewerkzeuge des Lean Managements für die Hirslanden Klinik St. Anna adaptiert und eingesetzt (vgl. Abb. 4).

Abbildung 3: Zuteilung Kosten in der Krankenversicherung (BAG, 2013)
a) Wertstromanalyse (Patientenfluss)

In der Wertstromanalyse wurde der Patientenfluss analysiert und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen organisatorischen Einheiten optimiert. Der Hauptwertstrom Patientenfluss vom Eintritt, über die Operation mit Pflege/Betreuung und Aus- und Übertritt in die Reha bzw. nach Hause wurde in Wertstrommodule zerlegt. Die identifizierten Handlungsfelder in den Wertstrommodulen wurden durch gezielte Massnahmen eliminiert und verbessert.

b) Tätigkeitsstrukturanalyse/ Arbeitsstudie (Pflegefluss)

In der Arbeitsstudie wurden einerseits die pflegerischen Tätigkeiten von Mitarbeitenden in allen Diensten (Früh-, Spät- und Nachtdienst) zeitlich gemessen, andererseits wurden die Unterbrechungen der Pflegemitarbeitenden genau erfasst. Sämtliche Tätigkeiten wurden kategorisiert, damit anschliessend einzelne Tätigkeiten gezielt optimiert werden konnten. Die Arbeitsstudie schuf, anhand von faktenbasierten Ergebnissen und breiter Abstützung, eine gute Basis für die Projektakzeptanz bei den Mitarbeitenden.

c) Kaizen/Kont. Verbesserungsprozess

Mittels Kaizen (KVP-Verbesserungstafeln) wurde in zwei Pionierstationen mit den Mitarbeitenden nach Verbesserungen gesucht (vgl. Abb. 5). Dabei ging es darum, das Projekt ‘Fokus Patient’ im Arbeitsalltag umzusetzen und konkrete Instrumente für Verbesserungen zu trainieren und anzuwenden. Weiter sollten Verbesserungsmöglichkeiten im eigenen Arbeitsbereich identifiziert und Massnahmen definiert und umgesetzt werden. Schliesslich stand die Verbesserung der eigenen Arbeit, in einem verdaubaren Mass und daher in ‘kleinen Schritten’ kontinuierliche voranzubringen, im Zentrum. Dabei wurden weitere Lean Werkzeuge wie Standardisierung, 5S, Kanban, Visual Management und Blitz-Kaizen Workshops eingesetzt.

Abbildung 4: Kaizen Board Hirslanden Klinik St. Anna (Abegglen Management Consultants, 2011)

4.4. Ergebnisse

Basierend auf den Zielsetzungen konnten die folgenden Ergebnisse erreicht werden.

a) Steigerung der Produktivität

Vor dem Projektstart sank die produktive Zeit, welche die Pflegemitarbeitenden durch Pflegedienstleistungen am Patienten pro Tag erbringt, kontinuierlich. Seit Projektende konnte die produktive Zeit am Patienten pro Tag um 36 Minuten erhöht werden. Zudem konnte die unproduktive Zeit (Leistungen die nicht direkt an Patienten erbracht und somit im strengen Sinn als nicht oder nicht direkt wertschaffend betrachtet werden können) seit Projektbeginn um ca. einen Drittel reduziert werden.

b) Steigerung der Patientenzufriedenheit

Die externe, unabhängige Patientenzufriedenheits-Befragung, welche schweizweit erhoben wird, weist negative Patientenrückmeldungen prozentual aus. Der sog. ‘Problemwert’ konnte zwischen 2008 und 2010 gehalten werden. Im Vergleich zum Durchschnitt der Hirslanden-Gruppe hat sich der Wert der Hirslanden Klink St. Anna besser entwickelt. Die angestrebte Trendumkehr konnte erreicht werden.

c) Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit

Insgesamt konnte die extern erhobene Mitarbeiterzufriedenheit im Bereich Pflege um +0.4, auf einer Skala von 1 bis 10 von 7.5 (2008) auf 7.9 (2009), angehoben werden. Es wurden deutliche Verbesserungen erreicht, welche u.a. auf das Projekt ‘Fokus Pflege’ zurückgeführt werden können. Zudem konnte, trotz des höheren produktiven Anteils innerhalb der Arbeitszeit bei den Pflegemitarbeitenden, der Stress-Faktor (‘subjektives Empfinden’) des Pflegepersonals konstant gehalten werden.

Zusammengefasst kann die Durchführung dieses Projektes ‘Fokus Patient’ als äusserst erfolgreich betrachtet werden. Die Mitarbeitenden der Hirslanden Klinik St. Anna konnten die gesteckten Ziele mit der Unterstützung der Abegglen Managements Consultants AG erfüllen.

4.5. Auszeichnungen

Die Vereinigung der Managementberater der Schweiz ASCO (Association of Management Consultants Schweiz) überreichte 2011 für die Umsetzung dieses Projektes den ASCO Award. Diese Auszeichnung wird an Firmen mit der besten und nachhaltigsten Unternehmenstransformation überreicht. Zudem konnte mit den durch die Umsetzung des Projektes erreichten Verbesserungen im Jahr 2012 der Hirslanden Award gewonnen werden.

5. Aufgabenstellung

5.1. Kontext

Aufgabe 1: Erläutern Sie die Auswirkungen der allgemeinen Entwicklungen in der Gesundheitsbranche auf ein Spital. Welche grundsätzlichen Herausforderungen ergeben sich daraus für das Spital?

Aufgabe 2: Übertragen Sie die fünf Lean Prinzipien auf ein Spital. Nennen Sie pro Lean Prinzip mind. zwei konkrete Beispiele, wie dies im Spital konkrete Anwendung finden könnte.

5.2. Analyse

Aufgabe 3: Sehen Sie einen Zielkonflikt zwischen den Projektzielen Produktivitätssteigerung und Steigerung der Mitarbeiter- bzw. Patienten-zufriedenheit? Wenn ja, nennen Sie Ansatzpunkte, um diesen Zielkonflikt zu beseitigen. Wenn nein, zeigen Sie auf, wie sich diese drei Ziele parallel erreichen lassen.

Aufgabe 4: Welche Optimierungspotenziale eines Spitals können primär durch eine Wertstrom-, welche primär durch eine Tätigkeitsstrukturanalyse identifiziert werden?

5.3. Konzept

Aufgabe 5: Tragen Sie in einem Brainstorming mögliche Lösungsansätze zu den drei Projektzielsetzungen (a) Steigerung der Produktivität, (b) Steigerung der Patientenzufriedenheit- und (c) Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit zusammen.

Aufgabe 6: Welche konkreten Massnahmen können dazu beitragen, einem Silodenken zwischen den einzelnen Disziplinen (bspw. Pflege, Hotellerie und Hauswirtschaft) entgegenzuwirken?

5.4. Umsetzung

Aufgabe 7: Welche Faktoren tragen dazu bei, die in der Analysephase identifizierten Optimierungspotenziale erfolgreich umzusetzen?

Aufgabe 8: Wie stellen Sie sicher, dass der Prozess der kontinuierlichen Verbesserung Teil der Spital-Kultur wird und so das Projekt ‘weiterlebt’?